Jacoby-Bürgergilde Neumünster, seit 1578

Die Gildebierverprobung

Gildebieranstich 1996

Bier gehörte im Mittelalter zusammen mit dem Brot zu den Grundnahrungsmitteln. Es wurde anfangs zumeist von der Hausfrau gebraut. Das Brauen stand gleichberechtigt neben dem Backen. Einen Tag wurde gebacken, den anderen Tag gebraut. Wie im Märchen Rumpelstilzchen der Gebrüder Grimm: „Heute back ich, morgen brau ich." Das Bier hatte damals einen wesentlich geringeren Alkoholgehalt. so dass es von der ganzen Familie und verdünnt auch von den Kindern getrunken werden konnte.

Kein Wunder, dass Bier auch bei den Gildeversammlungen und Gildefesten hauptsächlich getrunken wurde. In den Anfangstagen des Brauens wurden noch nicht nur Hopfen und Malz vergoren wurden, sondern auch Getreidebrei, Hafer, Weizen oder Gerste. Manchmal wurden dem Bier auch Kräuter beigemischt, um das Aroma oder die betäubende Wirkung zu erhöhen.

Von einem solchen Vorfall berichtet Jakob Dittmann in seinem Buch „Aus dem alten Neumünster": „Einst wurde dem Brauer Diedrich Otto Wilms die Lieferung des Biers zu teil. Es war schönes Bier, was der Mann herstellte, schmeckte lieblich; aber wer hätte das gedacht: die ganze Gesellschaft, Männer und Knaben, wurden davon total betrunken! Besonders die Knaben. Dieselben hatten nämlich, von der Gilde angeschafft, ihren eigenen 'Kroß' der auf dem Deckel einen Zeiger hatte, welcher wie beim Roulettespiel in Bewegung gesetzt wurde. Es waren aber nur die Ziffern 1, 2, 3 und 4 vorhanden. Blieb nun beim Auslaufen der Zeiger stehen, so musste der, welcher am Drehen war, den Kroß soviel mal austrinken, als der Zeiger anzeigte. Dabei ward die ganze Gesellschaft benebelt, die Knaben durch das Spiel mit ihrem Kroß und die Männer ohne denselben. Nach dem Rausch denn allgemeine Beschämung und Reue, aber der allgemeine Unwille richtete sich gegen den Brauer. Um nämlich Malz zu sparen, hatte derselbe das Bier mit „Voß abgestellt", einer Pflanze, die damals zahlreich im Moor wuchs, sich durch starken, betäubenden Geruch auszeichnete und oft zur Verfälschung des Bieres benutzt wurde. Diedrich Otto Wilms wurde vorgefordert, konnte seine Schuld nicht leugnen und wurde in Strafe genommen. Aber geschmeckt hat das Bier doch! Wenn es auch nicht klar war, wie das jetzige Gebräu, war es doch viel stärker und wenn etwas davon auf den Tisch verschüttet ward und man stellte den Kroß (Pokal) darauf, so „backte derselbe fest".

Um solche Machenschaften zu vermeiden, war es früher üblich, das Gildebier schon einige Tage vor dem Gildefest auf seine Güte hin zu prüfen.

Die Gildebrüder Heinrich Oldehus und Gerhard Schümann, ließen diesen alten Brauch 1966 wiederaufleben, indem sie die Holstenbrauerei spontan besuchten und den verblüfften Braumeister Einsiedel baten, das für das kommende Vogelschießen der Jacoby-Bürgergilde gebraute Bier schon einmal probieren zu dürfen. Das Bier erwies sich als „vorzüglich und für den menschlichen Genuss geeignet." Bei ihrem nächsten Besuch nahmen die beiden die damalige Majestät Conrad Brinkop mit und wurden wiederum herzlich aufgenommen und bewirtet. Im Laufe der Jahre nahm die „Gildebierverprobung" Formen an. Zunächst kam der gesamte Vorstand mit, dann auch Gildebrüder der Bürgergilde. Heute ist die Bierverprobung ein fester Bestandteil des Gildelebens, zu der die Holstenbrauerei auch nach der Schließung ihres Standortes Neumünster in jedem Jahr die beiden Gilden in den Tagen vor dem Vogelschießen einlädt.