Das Vogelschießen
Ursprünge und kulturelle Herkunft
Die Ursprünge des heutigen Vogelschießens liegen weit zurück und entsprechen einem altgermanischen Brauchtum. Der Schuss nach dem damals lebendigen Vogel im Mai war vermutlich ein religiöser Kult. Der Vogel war das Sinnbild für den Frühlingsgeist. Man glaubte, dass man durch den Verzehr des Vogels auch dessen ihm innewohnenden verjüngenden Kräfte in sich aufnahm. Erst mit dem Einfluss des Christentums wurde aus dem lebendigen ein hölzerner Vogel. Dieser Ursprung des Vogelschießens war den Gildebrüdern der Jacoby-Bürgergilde nicht mehr bewusst, als sie das erste Mal auf den Vogel anlegten. Jedoch kann man die Vogelstange mit dem Maibaum vergleichen und den daran befestigten Vogel als Sinnbild für den Frühlingsgeist, so dass mit dem Vogelschießen zugleich symbolisch auch der Beginn der hellen Jahreszeit gefeiert wurde.
Aus den Akten der Gilde ging hervor, dass die Gilde bereits 1647 ein Vogelschießen abgehalten hat. Erste Aufzeichnungen hierüber fanden sich in den ersten Kassenbuchungen des 1647 angefangenen Gildebuches. Nach dem eben Gesagten ist es aber durchaus möglich, dass auch in den Jahren zuvor nach altem Brauch schon nach dem Vogel geschossen wurde. Das Fest des Vogelschießens hat sich über die Jahrhunderte erhalten. In den ersten Jahrzehnten wurde jährlich nach dem Vogel geschossen. Spätestens ab 1725 wechselte man sich mit der Bürgergilde ab, so dass von da an nur noch in jedem 2. Gildejahr das Vogelschießen der Jacoby-Bürgergilde gefeiert wurde.
Das Vogelschießen verlor im Laufe der Jahrhunderte seinen heidnischen Kultcharakter und wurde zu einem Frühlingsfest für die Gildebrüder und -Schwestern und schließlich gar ein zu einem gesellschaftlichen Ereignis für den ganzen Flecken, an dem von Zeit zu Zeit auch der Landesherr selbst oder ein Mitglied seiner Familie teilnahm. In den alten Akten der Gilde liegt der Originalentwurf eines Bittschreibens an den Herzog Carl Friedrich, in dem dieser darum gebeten wird, dass er doch 1734 an dem Vogelschießen der Jacobi-Gilde persönlich teilnehmen möge und womöglich, den Königsschuss eigenhändig zu machen. Offensichtlich wurde mit der Absage das Versprechen gegeben, an dem nächsten Schießen 1736 teilzunehmen, was dann auch geschehen ist. Der Königsschuss fiel dafür 1734 auf den Kronprinzen und 1736 durch den Oberkammerherrn Bergholtz auf den Herzog. Das Vogelschießen verlief damals ähnlich wie heute: 1. Ausmarsch, 2. Betstunde, 3. Marsch zum Schießplatz, 4. Schießen, 5. Einmarsch, 6. Essen und Tanz.
1736 feierte man jedoch mehrere Tage und gab wegen des hohen Gastes sehr viel Geld aus.
So wurde das Festzelt nicht wie sonst üblich mit „einem Fuder Meyen" (Maigrün, frische grüne Zweige), sondern mit 12 Fudern geschmückt. Geschossen wurde nach der 1735 von Herzog Carl Friedrich für beide Neumünsteraner Gilden erlassenen Schießordnung, die der Gilderolle angeheftet wurde und deren, der Neuzeit angepassten Regeln noch heute gelten. (vgl. dazu auch „Bürgerwehr". Die Preise für die Schützen waren in diesem Jahr besonders wertvoll und es wurde viel, insgesamt 17 Tonnen (d.h. fast 2000 Liter) Bier getrunken. Insgesamt wurden 509 Mark und 12 Schilling ausgeben, eine für damalige Verhältnisse gewaltige Summe, die durch die vereinnahmten Toten- und Strafgelder nicht gedeckt werden konnte, so dass die Gilde einen Kredit von 100 Mark zu 5 % Zinsen aufnehmen musste, der jedoch schon ein Jahr später mit Zinsen zurückgezahlt werden konnte.