Jacoby-Bürgergilde Neumünster, seit 1578

Die Betstunde

Betstunde der Gilde in der Vicelinkirche 2010

In Punkt 1 der Gilderolle von1647 heißt es, dass bei jeder Zusammenkunft der Gildebrüder „ehe einen Trunck gethan, dem Allerhöchsten Gott zu Ehren, einen Christlichen Psallm gesungen undt hernacher vor abwendungk alles unglücks von Hertzen gedanckt" werden" soll. Auch in der Gilderolle von 1748 ist dieser Passus enthalten. Die Andacht fand im Gildehaus statt und wurde vom Gildeschreiber durchgeführt. Wie lange an diesem Brauch festgehalten wurde, ist nicht festzustellen. Denn in den Jahren 1736/37 wurde im Wege einer Verordnung von Amtswegen eine „Bethstunde" für die Gilden eingeführt. Sie sollte am Tage des Schießens zwischen 6 und 7 Uhr morgens vor dem Ausmarsch zur Schießkoppel „in der hiesigen Kirche", der Bartholomäuskirche am Kleinflecken, stattfinden und von einem der örtlichen Pastoren gehalten werden.

Der Ablauf dieser Betstunde war in der Verordnung minutiös festgelegt. Der Pastor konnte sich von drei vorgeschriebenen Eingangsliedern eines aussuchen. Danach hatte der Geistliche „das kleine Wöchentliche Kirchengebeth" zu verlesen und ein vorgeschriebenes Fürbittengebet zu sprechen, das Vaterunser zu beten und den Gottesdienst mit einem von ebenfalls drei vorgeschriebenen Liedern und dem Segen zu beenden. Am Sonntag nach dem Schießen hatte - ebenfalls nach vorgeschriebenem Ablauf - ein Dankgottesdienst stattzu-finden.

Der Gottesdienst vor dem Schießen wurde dann auch in die Gilderolle von 1836 aufgenommen. Die Teilnahme aller Gildebrüder war Pflicht. Wer an der Betstunde nicht  teilnahm, musste eine Strafe in Höhe von 16 Schilling zahlen. Diese Vorschrift war jedoch sogar den Landesherren zu streng. Sowohl Friedrich VI. und Christian VIII. Herzöge von Holstein und Könige von Dänemark confirmierten die Rolle „ in allen Punkten und Clauseln jedoch mit Ausschluss (....) der Bestimmung in § 7 der Rolle, wo durch jedes Mitglied bei Strafe (...) verpflichtet wird, an der (...) Bethstunde Theil zu nehmen." Die Herrscher waren damals - zumindest in diesem Punkt - liberaler als die Gildebrüder.

Bis heute ist der Gottesdienst am Tage des Vogelschießens ein fester Bestandteil dieses Gildetages. Er findet seit alters her - von Ausnahmen abgesehen - stets in der Vicelinkirche statt, die seit 1834 an der Stelle der damaligen Bartholomäuskirche steht.  Traditionsgemäß wird er zumeist in plattdeutscher Sprache gehalten.  Alle Gildebrüder und viele Gildeschwestern, nehmen daran - nicht wie damals gezwungen - sondern freiwillig und mit viel Freude teil. Nach der „Betstunde" tritt die gesamte Gilde auf dem Kleinflecken an der Gildeeiche  an. Dort werden die Gildebrüder, die im 2. Zug „ausgedient" haben feierlich in den 1. Zug überführt. Nach dem Singen des Schleswig-Holstein-Liedes marschiert die gesamte Gilde mit Musik zum Schießplatz im Tierpark Neumünster.